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IDYLLISCHE INSEL AM RANDE BERLINS

„Schwanenwerder - ein kleines exklusives Refugium, in dem sich herrschaftliche Sommerhäuser mit großzügig angelegten Gärten wie Perlen auf einer Kette entlang des Ufers zur Havel hin aneinanderreihten.“
(Zitat aus Arthur R.G. Solmssen Roman „A Princess in Berlin, 1980 “ (deutsch: „Berliner Reigen“, 1981)

Entstanden war diese Villenkolonie um 1900. Ihr Gründer war der Berliner Lampenfabrikant Friedrich Wilhelm Wessel, der das damals noch unbewohnte Eiland 1882 erworben hatte. Er ließ die Inselfläche aufschütten und bot die an einem Rundweg gelegenen Grundstücke zum Kauf an. Bis zur Jahrhundertwende standen auf der Insel lediglich vier Häuser. Erst im 20. Jahrhundert wuchs das Interesse an diesem besonderen Ort. Es waren zumeist Berliner Industrielle und Bankiers, die sich auf der Insel Landhäuser für die Sommermonate erbauen ließen. Sie waren auf vielfältige Weise beruflich und familiär miteinander verbunden. Zudem gehörten sie, vergleicht man ihre Geburtsjahrgänge, derselben Generation an.

 Neben der Möglichkeit, Beziehungen und Freundschaften zu pflegen und Gäste aus Wirtschaft und Politik zu empfangen, sprach für Schwanenwerder als Wohnort auch die Aussicht, hier fernab vom turbulenten Stadtzentrum einen Sommer- und Altersruhesitz mit Kindern und Enkeln zu finden.

Zu den Besonderheiten Schwanenwerders gehörte die außergewöhnliche Architektur der Villen wie der Parkanlagen, die in den Händen berühmter Baumeister und Gartenarchitekten lag. Auch hieran wird der Zusammenhalt der Inselbewohner deutlich: Man sprach gegenseitig Empfehlungen aus und orientierte sich später an bereits bestehenden Bauten.

 

DIE ZERSTÖRUNG EINER IDYLLE – SCHWANENWERDER IM NATIONALSOZIALISMUS

Mit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten begannen auch auf Schwanenwerder tiefgreifende Umwälzungen. Der Antisemitismus des NS-Staats ab 1933 veranlasste den zum Protestantismus konvertierten Georg Solmssen zur Identifikation mit seiner jüdischen Herkunft. Im April des Jahres rief er bei einer Veranstaltung in seinem Haus in der Inselstraße 23–26 zur Bildung eines deutsch-jüdischen Nationalrates auf, um die von der NSDAP erhobenen Vorwürfe gegenüber Juden abzuwehren: „Wir wollen gehört werden, wenn man uns anklagt. Das ist einfaches menschliches Recht und Pflicht eines jeden Kulturstaates.“

Von den siebzehn Anwesen auf Schwanenwerder, die 1933 im Amtlichen Berliner Adressbuch verzeichnet waren, gehörten neun Eigentümern, die den Nationalsozialisten nun als „jüdisch“ oder als „Mischling“ galten. In den folgenden Jahren kam es zu zahlreichen verfolgungsbedingten Verkäufen von Immobilien. Meist diente ein vorgeblicher Steuerrückstand oder die nicht gezahlte „Reichsfluchtsteuer“ als Vorwand einer Versteigerung zugunsten des NS-Staates. In den folgenden Jahren zogen Vertreter der NS-Elite in die leerstehenden Villen ein. 1945 war Schwanenwerder praktisch menschenleer, obwohl nur zwei Gebäude durch Bombeneinwirkungen beschädigt wurden.

 

„KINDER IN LUFT UND SONNE“ – SOMMERFERENLAGER NACH 1945

Zunächst wurde die Insel von sowjetischen Truppen besetzt, wenig später an die US-amerikanische Militärverwaltung übergeben, die jedoch nur drei Anwesen (Inselstraße 5, Inselstraße 16 und Inselstraße 36) nutzte. In der weitgehend erhaltenen großzügigen „Villa Waltrud“ von Walter Sobernheim (Inselstraße 16), in der zuletzt der Chemieindustrielle Max Baginski gewohnt hatte, zog nun die US-amerikanische Besatzungsmacht ein, darunter auch General Dwight D. Eisenhower, der dort mit seinen Mitarbeitern die Potsdamer Konferenz vorbereitete, und später Lucius D. Clay, der „Vater der Luftbrücke“. Von 1953 bis 1970 befand sich in dem Haupthaus mit seinen 32 Zimmern ein Altenheim mit über hundert Patienten.

Aufgrund einer Direktive der Alliierten konnte das Land Berlin die von Nationalsozialisten vereinnahmten Grundstücke ab 1948 öffentlich nutzen. Laut einer Bestandsaufnahme durch den Bezirk Zehlendorf aus dem Jahr 1953 war die Mehrzahl der Gebäude infolge des langen Leerstands, durch Plünderungen und Witterungseinflüsse schwer beschädigt. In den folgenden Jahren entstanden dort mehrere bezirkliche Ferienheime im Rahmen des Programms „Kinder in Luft und Sonne“. Wegen der veränderten Lage in Berlin nach dem Fall der Mauer 1989 wurden die meisten Ferienheime aufgegeben und die kommunalen Grundstücke privatisiert. Mit Beginn der Entschädigungs- und Wiedergutmachungsverfahren stellten in den 1950er Jahren ehemalige jüdische Grundbesitzer Schwanenwerders, die im Exil überlebt hatten, oder ihre Nachkommen Rückübertragungsanträge. Da für sie eine Rückkehr nach Deutschland nicht vorstellbar war, kaufte der Senat von Berlin einige der rückübertragenen Grundstücke, die zum Teil heute noch im Eigentum des Landes sind.

Seit den 1960er Jahren entstanden zahlreiche Neubauten und die Insel gewann wieder an Attraktivität als exklusiver Ort und Refugium für prominente Berliner, unter ihnen war 1961 der Verleger Axel C. Springer. 1973 zog das US-amerikanische „Aspen Institute“ in einen Neubau der 1960er Jahre auf dem Grundstück Inselstraße 10. Seit 2004 erinnert an der Außenmauer eine Berliner Gedenktafel an das Institut und seinen Gründer und langjährigen Leiter Shephard Stone. Mit ihm, dem weltoffenen Berliner Ehrenbürger, kehrten der intellektuelle Diskurs und die Vielfalt der Gesprächskultur zwischen Kunst, Wirtschaft und Politik wieder auf die Insel zurück, die Schwanenwerder bis Anfang der 1930er Jahre ausgezeichnet hatten – eine Tradition, die heute im Würth Haus Berlin auf der Insel fortgeführt wird.

Text: Christine Fischer-Defoy, Aktives Museum

 

DIE GESCHICHTE DES ANWESENS NR. 16 und 18 - das heute Würth Haus Berlin

„Wo das Haus stehen wird, bestimmen hier die Bäume! Denn sie suchten sich ihren Standplatz aus und brauchten ganze Menschenalter, um zu wachsen und groß zu werden. Deshalb steht der Architekt bedachtsam unter den alten hohen Bäumen und hält mit ihnen Rat, wo er das Haus hinstellen kann und darf, ohne die alten Lebensrechte zu schmälern und liebgewordenes Unersetzliches zu stören.“

Mit diesen Worten beschrieb Bruno Paul, der Architekt der Villa Waltrud, sein spezielles Arbeitsethos für die Insel Schwanenwerder. Der renommierte Architekt war 1913 von Walter und Gertrud Sobernheim engagiert worden, in der Inselstraße 16 ein Sommerhaus zu errichten. Bruno Pauls Vielseitigkeit war enorm: Nicht nur als Karikaturist, Architekt und Innenarchitekt war er bekannt, er entwickelte Typenmöbel, Schiffseinrichtungen, gab die Zeitschrift für Kunst und Literatur „Wieland“ heraus und setzte als Direktor der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums in der Lehre Maßstäbe.

Als wichtigste Aufgabe formulierte er „Künstler von sicherem Geschmack und gründlichem handwerklichen Können zu erziehen, die imstande sind, auf das gesamte öffentliche, private und gewerbliche Schaffen einzuwirken, soweit es auf Behandlung der Form, der Farbe und des Materials Einfluss ausübt.“ Auch für seine eigenen Arbeiten galt dieses Bekenntnis. Bruno Pauls Besonderheit war seine Flexibilität. Die enge konstruktive Zusammenarbeit zwischen Bauherrn und Architekt war ihm Bedürfnis. Er verstand es, „auf die Wünsche der Besteller in unermüdlicher Geduld immer wieder einzugehen“ und „ihr Interesse für künstlerische Ideen zu gewinnen.“

Über das Haus Waltrud erschien 1919 ein Beitrag mit zahlreichen Abbildungen in der populären Zeitschrift „Deutsche Kunst und Dekoration“. Sie gaben einen Eindruck von Bruno Pauls architektonischem Werk. Die Außenaufnahmen zeigten die Proportionen und klaren Strukturen seiner Bauten, die sich der Umgebung einfügten, und die Innenaufnahmen präsentierten die geschmackssicheren und zweckmäßigen Einrichtungen der verschiedenen Räume. Der Kulturhistoriker Franz Servaes attestierte der Architektur „unzerreißbare Einheit und Harmonie“. Einige Jahre später, 1924/25, beauftragten Sobernheims ebenfalls Bruno Paul mit dem Bau eines englischen Landhauses für das Nachbargrundstück Inselstraße 18, das die Tochter Sobernheims mit ihrem Mann bewohnen sollte. Als Anspruch galt ihm, „für alle seine Bewohner (Eltern, Kinder, Angestellte und Gäste) in guter Form ein Höchstmaß von Behaglichkeit und Bequemlichkeit des Wohnens inmitten schöner Natur zu schaffen.“

1933 emigrierten Gertrud und Walter Sobernheim nach Paris. Erst fünf Jahre später konnten sie die Villa Waltrud an Max Baginski verkaufen. Er schätzte die Architektur Bruno Pauls nicht und ließ viele bauliche Veränderungen durchführen. In der Nachkriegszeit stellten die Erben Sobernheims einen Antrag auf Rückerstattung des Grundstücks auf Schwanenwerder. Da keine Belege vorlagen, dass Sobernheims das Geld nicht erhalten hatten, wurde 1955 ein Vergleich geschlossen: Baginski zahlte an Sobernheims 14.000, - DM, das Grundstück blieb in seinem Besitz. Ab 1953 wurde das Haus als Altenheim und Hospital genutzt. Anfang der siebziger Jahre gab es Überlegungen zur Neubebauung. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Gebäude Bruno Pauls abgerissen, die Pläne jedoch nicht realisiert. Seit dem Erwerb des Grundstücks durch das Land Berlin 1973 lag es bis zum Kauf durch Würth fast 30 Jahre brach.

Text: Heike Stange Kulturamt Steglitz-Zehlendorf